In der Schule lernen wir Rechtschreibung, Grammatik und Stil. Das Schreiben wirkungsvoller Texte lernen wir nie.
Wenn ich mich an die Textaufgaben meiner Schulzeit erinnere, denke ich zugleich an die Mindestanzahl an Worten. Wer die Hürde der „400 Worte“ nicht erreichte, hatte soeben die erste Anforderung an die Klausur versiebt. Neben der expliziten Notwendigkeit hatte das seitenlange Erörtern von Sachverhalten noch einen weiteren entscheidenden Vorteil:
Die Wahrscheinlichkeit einen relevanten Aspekt auf dem Bewertungsbogen zu treffen stieg immens. Statt nur über die zentralen Pro- und Kontra-Argumente zu diskutieren, eröffnete ich zahlreiche Nebenschauplätze. Aus sechs Argumenten wurden zwanzig und aus einem befriedigend ein sehr gut.
Eine solche Bewertung führt zwangsläufig zu der Konditionierung: mehr = besser. Und statt eine konkrete Fragestellung präzise, klar und möglichst kurz zu beantworten, wird ausschweifendes Geschwafel gefördert, in welchem sich der Leser auf die aktive Suche nach relevanten Informationen begeben muss. Die Auswirkungen dieser schulischen Prägung werden umso verheerender mit Blick auf die Entwicklung der Gesellschaft.
Wir werden mit mehr Informationen denn je konfrontiert. Illustriert am Beispiel der Werbebranche: Während dem Konsumenten in den 80er Jahren knapp 650 Werbebotschaften pro Tag begegneten, sind es heute bis zu 13.000(!) Werbebotschaften (Horizont, 2014). Dies entspricht dem Faktor 20!
Die Informationsüberflutung hat zur Folge, dass wir unsere Aufmerksamkeit selektiver nutzen (Entrepreneur, 2018). Wir richten das Auge auf Informationen, welche uns besonders ansprechen (- schon die neue Staffel Haus des Geldes gesehen?). In diesem Umfeld hat es der geschriebene Text umso schwerer gelesen zu werden. Warum sollten wir ihn durch überflüssige Redundanzen noch weiter schwächen?
Die schulische Konditionierung „mehr ist besser“ führt zu langweiligen Studien, den mangelnden Fokus auf Kernbotschaften und fürchterlichen Präsentationen.
Mein Appell an das Bildungssystem lautet:
Schreibt weniger. Schreibt „maximal 400 Worte“. Schreibt besser.
